UHRZEIT

Robert Schittko

Heißer Apfelwein, ein paar Lederhandschuhe in schwarz liegen auf dem Rücken, zeigen mit den Handflächen an die Decke der Jazzbar oder des Jazzcafes, es ist ja erst 15:26, eine langweilige Uhrzeit, sowas wie 16:16 oder 21:21 finden alle immer toll, Leute heiraten an Tagen, an welchen sich zahlen wiederholen, solche Idioten – alles ist ein Klischee, Kleider, Tänze, Torten – vollkommen uninteressant.
Tropfen, Schritte, Worte, ein Laden für so Fetischkrams – dass es sowas gibt, heute ist doch alles Internet –
Geschäfte sind komisch, vor allem an Regentagen. Diese Uni ist so ein Naziklotz – wobei so Nazis manchmal auch ein Bisschen geil aussehen. Dumm und geil, oder dumm ist geil. Geil ist meist vorbei nach einem ungeilen
Satz.
Wobei der ist nicht geil, sondern dumm. 6 dumme Worte machen 20 schöne Minuten kaputt – es sind nicht
immer 20, aber das ist wohl ein legitimer Durchschnittswert. Heute wird es nicht hell – es ist gerade nur weniger dunkel – jetzt ist 15:30 – das klingt schon besser. Der Apfelwein ist zu heiß. Meine Zunge brennt und meine Pisse ist neongelb. Wieso achte ich auf die Farbe von Pisse?

Ich sehe einen kleinen Zeigefinger eines Babys in einem Kinderwagen. Über dem Baby ist ein kleiner Plastikschutz – sieht fast aus wie ein Kondom. Irgendwie lustig, diese kleine zittrige hellbraune Hand. Seine Mutter schiebt es durch den Regen, Tauben sind heute wie Möven. Der Apfelwein dampft.
Bald bin ich 30. Toll. Draußen sind kleine Decken auf den Tischen, niemand wird da sitzen, wenn es so kalt ist.
Ries ist 18:30, oder? Ich bleibe eher hier und schau dem Dampf vom Apfelwein zu. City Tour Frankfurt, Green
line, Sightseeing – Doppelstockbus im Regen. Unten sitzen Zwei, vermutlich Touristen.
Eine graue Autotür mit einer roten Schramme – Autofleisch.
Ein Motorrad mit Türen – wie hässlich.
Brauner Zucker, Rohrzucker, Alltagszucker, aber mein Telefon ist scheiße!
Ein Mann hat einen zu großen Schirm und mein Kopf hat normale Temperatur.
Eine O2-Can-Do Tasche in Dunkelblau. Ein roter kleiner Jeep namens „Vitara“, der dem Namen nach gern ein Potenzmittel wäre. Reflektionen in der Scheibe, nur von den Frontscheinfwerfern der Autos, weil es so verdammt dunkel ist. 15:40.
Mein Magen ist warm, ich verschluckte eben einen Kaugummi. Eine Frau neben mir fotografiert ihren Freund,
sie strahlt und er ist verkniffen. Eine Obdachlose schreit eine Wand an und ein Mann mit Ledermäppchen
stolpert über einen hässlichen Hund. 14:43.
Der fotografierte Mann bestellt Kaffee und ich hoffe kurz, er liest was ich schreibe und fragt danach – für so eine Art Geschichte-in-Geschichte-Ding, aber das kommt mir jetzt gerade einfallslos vor. Gut, dass niemandem was einfällt und alle, selbst wenn unbewusst, zitieren. Eine Frau will wenden und hat Angst in den Augen. Die Straßenbahn wurde verpasst und jemand trägt ein Headset und schreit sein Telefonat über die Straße. Mach doch mal EMAIL, ALTER.
Der Fotografierte bedankt sich – ob viele Kellner in Essen spucken? Ein alter Mann trägt eine rote Jacke, rote Schuhe, ebenfalls rote Mütze und sein Hund hängt als Verbindungsstück zu ihm an einer roten Leine. Das
gefällt mir nicht. 15:47.
Ich muss jetzt wo anders hin – ich zähl nur irgendwelchen Kram auf.